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Rolf Hallensleben (* 1915 in Berlin; † 1984) war ein deutscher Kirchenmusiker.

Rolf Hallensleben wurde 1915 als Sohn eines Lehrers und Organisten in Berlin geboren. Er absolvierte sein Kirchenmusikstudium in Berlin und schloss es 1937 mit der A-Prüfung ab. Im Krieg wurde er durch einen Kopfschuss, bei dem er ein Auge verlor, schwer verletzt und 1941 aus dem Militärdienst entlassen. Er wirkte danach an verschiedenen Berliner Kirchen, ab 1942 als Kantor und Organist an der Heilandskirche in Berlin-Moabit. Nach kurzer Tätigkeit in Tetschen (Sudetenland) wurde er nach dem Kriege Kantor in Feuchtwangen und Assistent am kirchenmusikalischen Institut der Universität Erlangen. 1947 folgte er dem Ruf an die Neue Kirche in Emden, wo er auch nach seiner Pensionierung als Landeskirchenmusikdirektor 1982 bis zu seiner schweren Erkrankung im Frühjahr 1984 als Kantor und Organist tätig war. In dieser Funktion und als Landeskirchenmusikwart der Ev.-ref. Kirche prägte er die kirchenmusikalische Arbeit in den reformierten Gemeinden.

Im Pfarrhaus von Pastor Hermann Immer in der Fokko-Ukena-Straße fand Hallensleben zunächst Unterschlupf. Im Zimmer der Söhne war gerade ein Bett frei geworden. Das sollte fürs erste halbe Jahr sein neues Zuhause in Emden werden. Und wenn er dann abends vorm Schlafengehen mit den Immerschen Jungens noch eine Lucky Strike aus dem Care-Paket rauchte und ins Gespräch kam, so sollte das ein Charakteristikum für seine gesamte spätere Arbeit werden: In Kontakt zu kommen mit der Basis in den Gemeinden und daran anknüpfend die Arbeit für die Gemeinden aufzubauen.

So hatte er schon bald nach seiner Ankunft in Emden den Mädchensingkreis aufgespürt, den Emma Brunzema leitete. Sonntags nachmittags probten sie im Wartezimmer von Dr. Brunzema. Kantor Hallensleben übernahm nun die Leitung, er sammelte etliche Männerstimmen dazu und der Singkreis der reformierten Gemeinde Emden war entstanden. Die wöchentlichen Proben mit nunmehr 30 Sängerinnen und Sängern fanden dann übergangsweise in der Baptistenkirche statt, nach Fertigstellung der Schweizer Kirche 1949 dann in der Schweizer Kirche.

Bereits am Vorabend zum Totensonntag des gleichen Jahres fand in der Schweizer Kirche eine Abendmusik statt, in der der Chor Psalm- und Choralsätze von Claude Goudimel und Johann Sebastian Bach sowie Werke von Heinrich Schütz sang. Hier der Schluss des Berichtes, den ein Zeitzeuge darüber im Sonntagsblatt vom 11.12.1949 schrieb: “Sie (die Abendmusik) schenkte uns neue Kostbarkeiten aus dem großen Schatz unserer Evangelischen Kirchenmusik, zeigte den rechten Weg aus dem gefühl- und klangbetonenden zum gläubigen und textlich gebundenen Singen, und schenkte dadurch den zahlreichen Hörern und Sängern den rechten Sinn für die letzte Strophe des Gemeindegesanges:

Freu dich sehr, oh meine Seele, und vergiß all Not und Qual, weil dich nun Christus, der Herr, ruft aus diesem Jammertal. Seine Freud und Herrlichkeit sollst du sehn in Ewigkeit, mit den Engeln jubilieren, ewig, ewig triumphieren.”

Über Jahrzehnte veranstaltete Hallensleben Wochenschlußandachten und geistliche Abendmusiken, in deren Programmen immer die Auslegung eines bestimmten Bibelwortes integriert war, und die Gemeinde sich mit gesungenen Strophen beteiligte.

Eine Tätigkeit, die Hallensleben von Anfang an ausübte, war das Orgelspiel im Gottesdienst. Der Bälgetreter, der damals der Orgel in der CVJM-Baracke in der Schillerstraße, wo die Gottesdienste der Emder Gemeinde zunächst stattfanden, den Wind lieferte, erinnert sich noch heute an den überwältigenden Eindruck, den Hallenslebens Choralimprovisationen auf ihn machten. 35 Jahre lang spielte Hallensleben sonntäglich in den Gottesdiensten der Emder reformierten Gemeinde und brachte hier sein geniales Improvisationstalent ein.

Die sogenannte “Orgelmeditation” nach der Predigt, die heute ein fester Bestandteil der Gottesdienstordnung der Neuen Kirche ist, fand damals ihren Anfang: Kantor Hallensleben faßte das gehörte Wort der Predigt noch einmal musikalisch zusammen in einer Improvisation.

Nach der Wiederherstellung der Neuen Kirche Ende 1950 verlagerte sich der Schwerpunkt der kirchenmusikalischen Arbeit dort hin. Der Singkreis führte den Gemeindegesang im sonntäglichen Gottesdienst in der zunächst orgellosen Neuen Kirche an. Hallensleben selbst schreibt über den ersten Gottesdienst in der Neuen Kirche:

“Der Wiederaufbau der Neuen Kirche war im wesentlichen 1950 abgeschlossen, obwohl manches, z.B. das Gestühl, die Kanzel usw., reichlich provisorisch war und zunächst auch blieb. Der erste Gottesdienst am Sonntag Kantate war ein Fest der Kirchenmusik, zu dem Sänger und Bläser aus der Umgebung gekommen waren; es war ein Fest auf Lattenbänken, auf Sandfußboden, mit einem abenteuerlichen Kistenaufbau mit einer Art Reling als Geländer zum Festhalten, das dem Landessuperintendenten Dr. Hollweg als Kanzel diente. Und gesungen haben wir! Ohne Orgel, nur mit unseren kräftigen Stimmen sangen wir einen Psalm nach dem anderen, und es hat uns eine unbändige Freude gemacht!”

Schon im Herbst 1950 und Frühjahr 1951 hatte der Singkreis zwei Chorfahrten nach Holland unternommen. Im Mai 1951 rüstete er sich zu einer besonderen Fahrt. Mit dem Zug, dem Fahrrad und Hoogestraats Holzvergaserauto machte man sich auf den Weg in die Grafschaft Bentheim, um in zahlreichen Abendmusiken in den dortigen Ortschaften Geld zu sammeln für eine Kanzel für die wiederaufgebaute Neue Kirche. “Gestiftet von der Jugend” so steht es eingeschnitzt der heutigen Kanzel, “Ersungen vom Singkreis” müsste man ergänzend hinzufügen.

Die Stelle des ersten hauptamtlichen Kirchenmusikers in Emden war von Anfang an verknüpft mit den Aufgaben des Landeskirchenmusikwartes der Ev.-ref. Landeskirche der Provinz Hannover. [1]

“Unsere Gemeinden”, so schrieb der ehemalige Landessuperintendent Dr. Nordholt einmal, “sollten durch das Kennenlernen des Gesangbuches und vor allem des Psalters immer umfassender hineingeführt werden in den Lobpreis Gottes. Nach Gründung des Ausschusses für Kirchenmusik, dem damals u.a. neben Pastor Immer, Emden, auch Pastor Herrenbrück, Tergast, und Dr. Brunzema, Emden, angehörten, wurde 1948 der “Vierteljahrespsalm” eingeführt, der Sonntag für Sonntag zu Beginn des Gottesdienstes in allen Gemeinden der Landeskirche gesungen werden sollte.”

Seit 1947 führte Hallensleben Singfreizeiten durch, die zunächst an verschiedenen Orten Ostfrieslands und der Grafschaft Bentheim stattfanden, später auch auf den ostfriesischen Inseln. Parallel dazu etablierten sich in den späteren Jahren die jährlich stattfindenden “kirchenmusikalischen Arbeitswochen” zur Förderung des kirchenmusikalischen Nachwuchses. Vielen damals jungen Menschen sind hier entscheidende Anstöße für ihr Leben und ihren Werdegang gegeben worden.

Man macht sich heute gar keine Vorstellung davon, unter welchen äußeren Umständen in den ersten Nachkriegsjahren gearbeitet werden musste. Es gab z.B. kaum Notenmaterial! Auf zum Teil selbstgemachtem Notenpapier mussten Chorsätze abgeschrieben und vervielfältigt werden. Hier war es für die reformierte Kirche ein großes Glück, einen Mann angestellt zu haben, der über ein so großes musikwissenschaftliches Wissen verfügte. Für seine praktische Arbeit in den Gemeinden gab er z.B. bis dahin nur auf Mikrofilmen vorhandene Psalmsätze heraus.

Erforderten es die Bedürfnisse, komponierte er neue Stücke und Sätze, die genau auf die musikalische Situation der betreffenden Gemeinde zugeschnitten waren.

Die oft erheblichen Distanzen, die für Freizeiten, Tagungen und Singabenden in den Gemeinden zurückgelegt werden mussten, - es wird überliefert, dass Kantor Hallensleben alle Gemeinden kannte und sie besucht hatte - mussten bis in die 50er Jahre mit dem Fahrrad überwunden werden. Dabei waren Strecken von mehreren 100 km keine Seltenheit.

Auch die Ausbildung und Schulung von Organisten musste in den Jahren des Wiederaufbaus in Angriff genommen werden. Kantor Hallensleben erwies sich als ausgezeichneter und unermüdlicher Lehrer und Betreuer angehender Organisten.

Zusammen mit seinem Kollegen Kurt Schulz aus Leer gab er 1952 ein Orgelbegleitbuch für den Psalter heraus. Dieses Werk hat bis jetzt keinen Nachfolger gefunden und ist bis heute bei den reformierten Organisten in Gebrauch.

Im Jahre 1950 nach dem Ausscheiden von Enno Popkes, Ihrhove, übernahm Rolf Hallensleben auch die landeskirchliche Glocken- und Orgelpflege.

Er kam schnell in Kontakt mit den jungen engagierten Orgelbauern Jürgen Ahrend und Gerhard Brunzema. In Zusammenarbeit mit ihnen entstanden bereits in den 50er Jahren bahnbrechende und für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wegweisende Orgelrestaurierungen: 1954 in Larrelt, 1955 in Westerhusen, 1957 in Uttum und 1959 in Rysum. Er hat damit den Weg bereitet, Ostfriesland als historische Orgellandschaft wiederzuentdecken und weithin bekannt zu machen.Dazu trugen ganz wesentlich auch die Exkursionen und Konzerte mit Orgelvorführungen bei, die Hallensleben in den Sommermonaten, später zusammen mit seiner Frau, bis in den Ruhestand hinein durchführte.

Im Zusammenhang damit steht eine hohe öffentliche Auszeichnung, die Rolf Hallensleben - der seine Tätigkeit stets als Dienst zur Auferbauung der Gemeinde zur Ehre Gottes verstanden und in großer persönlicher Bescheidenheit getan hatte - ein Jahr vor seinem Tod zuteil wurde: die Verleihung der Ubbo-Emmius-Medaille. “Wir, die Ostfriesische Landschaft, verleihen heute, am Tage des Oll’ Mai, Rolf Hallensleben aus Berlin die Ubbo-Emmius-Medaille in dankbarer Anerkennung für besondere Verdienste um Ostfriesland. Geschehen am 8. Mai 1983 zu Reepsholt.” In der ausführlichen Begründung heißt es u.a., er habe die Auszeichnung erhalten “für seine sachverständige, schöpferische und pflegerische, pädagogische und soziale Tätigkeit”.

Ein besonders klangschöner Orgelneubau entstand nach dem Kriege in der Neuen Kirche in Emden. 3 Jahre lang wurde der Gesang im sonntäglichen Gottesdienst vom Singkreis, gelegentlich auch vom Posaunenchor angeführt. Dann machte man sich Gedanken über einen Orgelneubau für die Neue Kirche. Man trat in Verhandlungen mit der Firma Paul Ott (Göttingen). Diese plante eine Orgel von 20 Registern auf 2 Manualen und Pedal, lieferte Ende 1956 das Rückpositiv, das jedoch im Februar 1957 wieder abgebrochen wurde. Auf Empfehlung einer Orgelkommission, der u.a. Pastor Hermann Immer, Studienrat Welpmann und Emil Mennenga angehörten, beschloss der Kirchenrat, den Orgelneubau durch die Berliner Orgelbauwerkstatt Karl Schuke ausführen zu lassen. Das Gehäuse sollte Tischlermeister Folkert Meints, Emden, nach einem Entwurf von Oberregierungsrat D. Müller-Stüler, Aurich, anfertigen.

Am 24. August 1958 war die Orgel fertiggestellt und wurde in einem Festgottesdienst und einem abendlichen Konzert in Gebrauch genommen. Zum 25jährigen Jubiläum schrieb Rolf Hallensleben: “Das Instrument, das keine einzige Holzpfeife besitzt, hat sich im Laufe von 25 Jahren großartig bewährt, vor allem im Gottesdienst, für den es ja gebaut ist. Aber auch die konzertante Funktion wurde von allen, die auf ihm konzertiert haben, immer wieder bewundert.”

Im August 1984 starb Rolf Hallensleben. Er ist auf dem Friedhof der Neuen Kirche beerdigt. Vor seinem Grabstein stehend sieht man zum Eingang der Neuen Kirche, in der er fast 37 Jahre lang Dienst tat. Horst Grafenburg, Brigitte Höhn und Katharina Marburg-Herlyn waren seine Nachfolger als Organisten an der Neuen Kirche.

Werke[]

  • Psalmodia sacra Psalmlieder ; mit Vorw. Crüger, Johann. - Wuppertal-Elberfeld : Verl. Singende Gemeinde
  • Der Psalter, Neukirchen : Verl. d. Buchhandl. d. Erziehungsvereins, 1953 [2]

Weblinks[]

Einzelnachweise[]

  1. Christian Züchner, Über Zeiten und Räume. Aus der Geschichte der Ev.-ref. Gemeinde Emden, 1997
  2. Online
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